Geleitwort zum Monatsspruch Juni 2024

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# Vorworte des Gemeindebriefes

Geleitwort zum Monatsspruch Juni 2024

Vertrauen auf Rettung

„Mose sagte: Fürchtet euch nicht! Bleibt stehen und schaut zu, wie der HERR euch heute rettet!“ Exodus 14,13

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Szene könnte dramatischer kaum sein. Die Menschen stecken in der Falle, tausende Menschen, Männer, Frauen und Kinder. Vor ihnen das tiefe Wasser, so weit das Auge reicht. Hinter ihnen donnern die Streitwagen des Pharao heran. Die unbewaffneten Ex-Sklaven wissen: gegen die königliche Armee haben sie nicht den Hauch einer Chance. In wenigen Augenblicken werden sie alle niedergemetzelt. Panisch schreien sie ihren Anführer an: Wären wir doch bloß in Ägypten geblieben! Da waren wir zwar Sklaven, aber immerhin nicht tot! Wir hätten uns nie von dir zu dieser Flucht überreden lassen sollen. Du bist an allem schuld!

 Mose antwortet ruhig: Fürchtet euch nicht. Bleibt stehen und schaut zu, wie der Herr euch heute rettet. Und sie schauen zu. Sie schauen zu, wie Mose seinen Stab ausstreckt. Und das Meer teilt sich vor den ungläubigen Augen der verängstigten Menge. Durch diesen unwahrscheinlichsten aller Fluchtwege entkommen sie schließlich ihren Verfolgern und schaffen es in die Freiheit. Eine Szene, wie sie Gandalfs legendärem „Du kommst nicht vorbei.“ gegen den Balrog auf der Brücke von Moria in nichts nachsteht.

Diese wundersame Erfahrung von der Befreiung aus der Sklaverei und der Rettung aus höchster Not wird zu DER identitäts- und glaubensstiftenden Erfahrung für das Volk Gottes. Ja, überhaupt zu dem Grund, dass sie sich als solches verstehen. Die Erinnerung an dieses Ereignis trägt sie über Jahrhunderte hinweg und hält sie zusammen: Unser Gott hat sich als lebendig und mächtig erwiesen. Gott hat uns befreit. Er stand auf unserer Seite. 

Das ist eine riesige Geschichte mit immenser Wirkung. Und sie ist weit weg, zu weit, um sich irgendwie historisch verifizieren zu lassen. Aber das faszinierende an den biblischen Geschichten ist doch, dass sie irgendwie immer aktuell bleiben. Ihre Dynamiken lassen sich bis heute wiederfinden, auch in unseren, meist viel kleineren Geschichten. Deshalb lese ich sie immer wieder so gerne und denke über sie nach.

Hier hören wir von Menschen, die ihr ganzes Leben lang schwer unterdrückt und misshandelt werden. Sie sehnen sich zwar nach Freiheit, beten auch dafür, aber lange, lange Zeit passiert nichts. Und so lernen sie, mit dem Unvermeidlichen zu leben. Sie kennen ja nichts anderes. Und dann kommt eine Person, die ihnen heraushilft, die für sie kämpft und ihnen neue Hoffnung macht. Vielleicht gibt es ja doch einen Weg heraus? Vielleicht ist ein Weg in die Freiheit wirklich möglich? Moses felsenfestes Gottvertrauen lässt sie auch wieder Glauben wagen. Vielleicht gibt es diesen Gott ja tatsächlich, der für uns streitet? Sie trauen sich schließlich beides. Sie packen ihre Sachen und fliehen in ein unbekanntes neues Leben und verlassen sich dabei auf Gottes Kraft – denn ihre eigene, das ist klar, reicht hier nicht aus. Als dann der Rückschlag kommt, überwältigt sie die Angst, und der Zweifel schlägt mit aller Macht zu. Diese Veränderung wird nie etwas! Das war eine dumme Idee! Genau hier brauchen sie Moses Zuspruch und Gottes Hilfe, um nicht aufzugeben – und bekommen beides. Und werden frei! Ich kenne diese Dynamik auch aus eigener Erfahrung. Wie schwierig doch Veränderung ist. Wir neigen nun mal dazu, uns einzurichten, auch in Lebenssituationen, die uns eigentlich nicht gut tun und mit denen wir unglücklich sind. Das wissen wir auch, aber irgendwie fehlt die Kraft, den Veränderungsprozess anzugehen. Und wenn die alte Situation auch nicht besonders gut ist, wenigstens ist sie so schön vertraut. Wer weiß, ob es am Ende nicht alles noch schlimmer wird, wenn ich etwas verändere. Lieber nicht. Und Gott? Ach, na ja. Von dem bin ich schon so oft enttäuscht worden. Da erwarte ich lieber nichts mehr. 

Dann braucht es oft Kraft von außen. Von Menschen, die für uns an Veränderung glauben. Die uns neue Impulse geben, das Ist hinterfragen und den Gedanken stärken: Es muss nicht so bleiben! Die uns bei Veränderungsprozessen begleiten und unterstützen. Und genauso braucht es oft Glauben von außen. Von Menschen, die für uns an Gott glauben. Die uns Hoffnung geben, dass Gott uns sieht und uns beisteht. Die uns Mut und Zuversicht zusprechen, wie es damals Mose bei seinem Volk tat: Fürchtet euch nicht! Bleibt stehen und schaut zu, wie der HERR euch heute rettet!

Ihre Pfarrerin Ramona Rohnstock


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