02/07/2024 0 Kommentare
Vor 90 Jahren wurde der katholische NS-Kritiker Erich Klausener ermordet
Vor 90 Jahren wurde der katholische NS-Kritiker Erich Klausener ermordet
# Aufgefallen und verlinkt
Vor 90 Jahren wurde der katholische NS-Kritiker Erich Klausener ermordet
Zum Gedenken: Vortrag am Donnerstag, 27.06.2024, 19:30 Uhr, Gedenkkirche Plötzensee, Heckerdamm 226, Festgottesdienst am 30. Juni, 10 Uhr, St. Kamillus Kirche, Klausenerplatz 12/13
Es geschieht am helllichten Tag im Zentrum der Hauptstadt: Der Jurist und Leiter der Katholischen Aktion in Berlin, Erich Klausener, wird 1934 von der SS erschossen. Täter Kurt Gildisch kommt erst 1951 vor Gericht.
Berlin. Als SS-Hauptsturmführer Kurt Gildisch am 30. Juni 1934 kurz vor 13 Uhr im Verkehrsministerium in der Berliner Wilhelmstraße eintrifft, muss er sich nach Erich Klausener durchfragen. Er kennt den Mann nicht, weiß nicht, wie er aussieht, und nicht, wo er dessen Büro findet. Der Mann am Empfang verweist auf den ersten Stock. Gildisch untersagt ihm die Anmeldung seines Besuchs. Nur Minuten später fällt in Klauseners Büro ein Schuss. Klausener leitete seit 1928 die Katholische Aktion in Berlin, deren Ziel es war, die Laien vor Ort und das breit gefächerte katholische Vereins- und Verbandswesen zu koordinieren. Nach offizieller Darstellung beging er Suizid. Er sei verstrickt gewesen in den angeblichen Aufstand der SA gegen Adolf Hitler im Sommer 1934, den die Nazis „Röhm-Putsch“ nannten. Doch niemand, der den überzeugten rheinischen Katholiken kannte, glaubte das.
Das Dienstzimmer wurde sofort von der SS abgeriegelt. Die Witwe erhielt am 3. Juli die Mitteilung, dass die Leiche ihres Mannes eingeäschert worden war. Auf Druck des NS-Regimes fand auch keine öffentliche Trauerfeier statt. Erich Klausener stand der katholischen Zentrumspartei nahe. Als Ministerialdirigent hatte der promovierte Jurist von 1926 bis 1933 das Amt des Chefs der preußischen Polizei inne. Kaum waren die Nationalsozialisten an der Macht, wurde der unliebsame Katholik ins Reichsverkehrsministerium versetzt. Die Nazis hielten den national-konservativen Katholiken, der sich anfangs noch offen für den Geist des Nationalsozialismus zeigte, für gefährlich. Historiker sehen zwei Gründe für den Mord an ihm. Zum einen nennen sie die lautstarke Opposition des Katholiken gegen die Vereinnahmung der Kirche im NS-Staat. Zugleich war Klausener zum erklärten Gegner der Nationalsozialisten geworden. Als einstiger Leiter der preußischen Polizei hatte er genaue Kenntnis über illegale Machenschaften der Partei und ihre Finanzierungswege. Der Historiker Klaus Große Kracht verweist auf Aussagen Robert Kempners, der als Vize-Chefankläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen Hermann Göring vernahm: Göring habe die volle Verantwortung für die Erschießung Klauseners übernommen. Er habe Klauseners Tätigkeit als Katholikenführer hervorgehoben und erwähnt, dass dieser während der Weimarer Republik in der Polizeiabteilung gegen die Nationalsozialisten „gewütet“ habe. Beim 32. Märkischen Katholikentag auf der Pferderennbahn Hoppegarten im Osten Berlins sprach Klausener sechs Tage vor seiner Ermordung vor 60 000 Gläubigen. Er beendete seine Rede mit deutlicher Kritik an der NSDAP: Laut dem „Katholischen Kirchenblatt für das Bistum Berlin“ sagte er, eine Unterordnung der Kirche innerhalb des NS-Systems komme nicht infrage. Für den Historiker Bernhard Sauer besteht „kein Zweifel, dass diese Rede mit ausschlaggebend war für seine spätere Ermordung“. Der Mord blieb zunächst ungesühnt, denn in der NS-Zeit hatte Gildisch wegen eilig erlassener Amnestiegesetze nichts zu befürchten. Doch wurde er 1949 von einem alten Bekannten wiedererkannt, vor dem er sich 1934 des Mordes an Klausener gebrüstet hatte und der Anzeige erstattete. So wurde Gildisch angeklagt und im Mai 1953 zu einer Zucht-hausstrafe von 15 Jahren verurteilt. Seine Revision scheiterte. Im März 1956 starb der Täter im Alter von 52 Jahren. epd
Kommentare